Interview des vzbv mit theorigin.de vom 14.01.2013
Computerspielen leicht gemacht – 8 Fragen und 8 Antworten
Wie hat sich der Spielemarkt in den letzen Jahren entwickelt? Kann DRM tatsächlich Raubkopien verhindern? Was ist von Spieleplattformen und Zwangsbindung an Accounts zu halten? Wo hakt es beim Gebrauchtspielemarkt? Diese und noch mehr Fragen beantwortet uns Sebastian Radtke von theorigin.de, einem Zusammenschluss von Spielern, die sich mit Missständen in der Spiele-Branche auseinandersetzen und für die Rechte von Computerspielern eintreten.
1. Was ist Computerspielen eigentlich?
Bevor man das erklären kann muss man etwas ausholen und sich erst mal bewusst machen was Gaming eigentlich grundsätzlich ist. Es ist in erster Linie ein Hobby, eine Freizeitbeschäftigung und ein Stück weit auch schon Luxusgut. Anfänglich auf Spielhallenautomaten (60er & 70er Jahre) und später mit dem Aufkommen der ersten Personal Computer (PC) wie dem Atari, oder Commodore entwickelte sich eine Subkultur, deren Anhänger meist als „nerdige“ Brillenträger verschrien waren. Ein Klischee das teilweise bis heute überdauert hat.
Die erste Hochphase erlebte Gaming zu Beginn der 90er Jahre, als Computer für die Allgemeinheit erschwinglicher wurden und auch Spielkonsolen ihren Siegeszug durch heimische Wohnzimmer begannen (auch wenn es sie zu diesem Zeitpunkt schon länger existierten). Die 90er waren überhaupt eine kreative Hochphase was Spiele anging, in dieser Zeit wurden einige der ganz großen Spielperlen erdacht und entwickelt die bis heute wegweisend sind und/oder komplett neue Genre begründet haben.
Das Hobby „Computerspiel“ war in dieser Zeit auch eine der entscheidenden Triebfedern was die technologische Entwicklung im Bereich der PC angeht. Wenn ich an die ersten Ego-Shooter denke die mit Sprites und 2D-Grafiken virtuelle Welten schufen, werde ich jedes Mal ehrfürchtig, wenn man bedenkt wo wir nach knapp 20 Jahren Entwicklung technisch und grafisch stehen. Allerdings stagniert diese Entwicklung seit ca. 10 Jahren wieder.
2. Wie erleben Sie die Entwicklung des Spielemarktes?
Mit der steigenden gesellschaftlichen Akzeptanz dieses Hobbys und der Verfügbarkeit über verschiedene Plattformen in der breiten Bevölkerung stiegen natürlich auch die wirtschaftlichen Interessen und Begehrlichkeiten. Die Spielindustrie stellt heute umsatzmäßig die Musik- und Kinoverwerter locker in den Schatten. Publisher, also große Unternehmen, die Spiele für Entwickler finanzieren und vermarkten, haben natürlich ein großes Interesse daran diese Spiele auch möglichst gewinnbringend zu verkaufen, da sie ihrerseits ihren Investoren und Aktionären verpflichtet sind. Es gab aber auch andere negative Entwicklungen in den letzten Jahren: Wir erinnern uns nur zu gut an die „Killerspieldebatten“ bei denen Gaming als Sündenbock für gesellschaftspolitisches Versagen vorgeschoben und alle Computerspieler in einem Topf geworfen wurden.
Aus meiner Sicht ist das heutige Problem, dass die Industrie anscheinend den Fokus für das verloren hat, worum es bei diesem Hobby eigentlich geht. Nämlich seinem Alltag zu entfliehen, in seiner Freizeit Spaß zu haben und tolle interaktive Geschichten zu erleben, deren Handlung man selbst diktiert. Es ist eine Freizeitbeschäftigung wie jeder andere auch, wenn nicht sogar die einzige, die enorm viele Facetten bietet, die teils schon in den künstlerischen Bereich reingehen.
Aber genau hier liegt die große Diskrepanz der letzten Jahre – Gaming wurde so sehr kommerzialisiert, dass vom Spielspaß kaum mehr was geblieben ist. Statt den Spielern zu geben was sie wollen, setzen die Publisher den Spielern Dinge vor die Nase, von denen sie glauben, dass die Spieler es wollen. Nur segeln sie in vielen Fällen (ich sage nicht in allen!) damit an der Realität vorbei, was ihnen die Spielerschaft mit Abwanderung, Resignation und nicht zuletzt auch mit dem Gang in die Filesharerszene (Raubkopien) quittiert.
Ganz besonders stört mich als eingefleischter PC Spieler die Fokussierung auf Konsolen. Nicht, dass ich etwas an diesen Plattformen auszusetzen hätte, ich besitze selber welche und immerhin kann und muss nicht jeder einen PC in Eigenregie zusammenschrauben und konfigurieren können, da sind die Konsolen in der Hinsicht eine einfache und komfortable Alternative.
Aber die letzten Jahre hat man als PC Spieler das Gefühl in der Hierarchie und der Gunst der Spielindustrie ganz weit gesunken zu sein und nur noch mit viel Glück halbgare Portierungen von Konsolentiteln vorgesetzt zu bekommen – sozusagen das Neben- oder Restprodukt einer Spielentwicklung, man fühlt sich als Kunde zweiter Klasse. Und dies ist mehr als unfair, war es doch der PC, der dieser Branche zu Ruhm und Reichtum verholfen hat. Somit fehlt es der Spielindustrie inzwischen nicht nur an Fokus auf das Wesen des Spielens, sondern auch der Fokus und ein Stück weit der Respekt auf dessen Wurzeln.
Das ist die Entwicklung wie ich sie die letzten 10-20 Jahre erfahren habe und ich spiele nun schon seit über 25 Jahren. Natürlich gab es auch in den letzten Jahren herausragende Spiele und echte Genreperlen, kein Zweifel, aber ein grundsätzlich negativer Trend lässt sich leider nicht leugnen.
3. Was ist dran an den Darstellungen der Spielehersteller, dass DRM dem Schutz vor Raubkopien diene?
Der Begriff Raubkopie an sich ist eigentlich völlig falsch und ein Konstrukt der Verwertungsindustien, der heute im allgemeinen Sprachgebrauch und in der Presse verwendet wird, meist mit grundnegativer Bedeutung. Früher gab es sogenannte Shareware, also (Spiel-)Software die getestet werden konnte bevor man sich zu einem Kauf entschloss. Nach Ablauf einer gewissen Frist hatte man dann die Möglichkeit das Spiel zu erwerben oder durch ein Upgrade zu einer Vollversion zu machen, wir sprechen also hier im Prinzip von einer Demo, einer Vorzeigeversion.
Demos sind heutzutage so gut wie ausgestorben und wenn es welche gibt, dann meist erst nach der Veröffentlichung des jeweiligen Titels – zu spät sich also vor der Veröffentlichung ein Bild vom Spiel zu machen, wenn man denn wissen möchte, ob sich ein Kauf des Titels lohnt - noch vor zehn Jahren war dies gang und gäbe. Zwar gibt es mit Youtube, Spielmagazinen und frühen Betaphasen/-versionen die Möglichkeit sich zu informieren, aber auch diese Informationen sind meist subjektiv und Fehlkäufe absolut keine Seltenheit. Im Gegenteil – die Beeinflussung dieser Medien durch Publisher ist ein offenes Geheimnis.
Als Konsequenz der steigenden Anzahl von illegal kopierten Spielen sahen sich die Publisher natürlich im Zugzwang um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, verloren aber dann aus dem Blick WARUM die Leute eigentlich zur Kopie griffen und verschlimmerten dadurch diesen Prozess nur noch. Heute befindet sich die Spielindustrie in einem undurchdringlichen Teufelskreis mit den Filesharern, ein Einlenken ist von keiner Seite erkennbar. Die Industrie pocht auf ihr Recht für die geleistete Arbeit entlohnt zu werden (natürlich zu Recht!) und versucht dieses mit Zwangsmechanismen durchzusetzen und die Filesharer haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht diese Mechanismen auszuhebeln.
Und damit kommen wir zum DRM (Digital Rights Management), welches eine beachtliche Entwicklungsgeschichte hinter sich hat, sehr zum Leidwesen der Spieler und Konsumenten. DRM wird inzwischen im allgemeinen Sprachgebrauch mit „Kopierschutzmechanismus“ gleichgesetzt, obwohl es zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Denn DRM findet z.B. auch im Musik- und Videobereich Anwendung.
Ich kann mich noch sehr gut erinnern als ich meine erste Erfahrung mit einem Kopierschutz gemacht habe. Das war 1992 und ich wollte „Indiana Jones and the fate of Atlantis” spielen. Dazu musste man eine Pappscheibe drehen damit bestimmte Symbole eine Kombination ergaben. Diese Kombination musste dann von der Scheibe abgelesen und im Spiel eingegeben werden, um weiterzuspielen zu können.
Im Prinzip war dadurch das heutige DRM geboren, die Pappscheibe war der Account und die Kombination das Passwort/die Registrierungsnummer. Die Geschichte dazwischen ist eigentlich nur eine Verkettung von Extremen die zum heutigen DRM geführt haben. Möchte man heute etwas spielen ist man bei den großen Publisher gezwungen eine Zusatzsoftware zu installieren, sich mit einem Benutzerkonto anzumelden, online sein und muss seine gekauften Spiele auch noch unwiderruflich mit diesem Konto verbinden.
Um aber auf die Frage zurückzukommen, so ziemlich jedes Spiel, das aktuell auf dem Markt erscheint ist bereits zum Veröffentlichungszeitpunkt geknackt, oder ein bis zwei Tage später in diversen Tauschbörsen verfügbar, teilweise sogar schon Tage vor der Veröffentlichung. DRM hat in meinen Augen absolut keine Wirkung. Das sehe übrigens nicht nur ich so, sondern auch einige Publisher, die von sich aus komplett darauf verzichten und die gesparten Kapazitäten lieber in die Entwicklung und Spielqualität stecken. Denn Qualität ist nach wie vor das Kaufargument Nr. 1.
4. Wo und wie fühlen sich die Spieler dadurch gegängelt?
Ich denke die größte Gängelung sehen die Spieler in der Tatsache, dass sie sich als zahlende Kunden zum Veröffentlichungszeitpunkt mit technischen Problemen, bedingt durch die DRM-Mechaniken, konfrontiert sehen. Dem gegenüber stehen die Filesharer, die am selben Tag sorgenfrei und kostenlos spielen können. Dies ist total absurd, zeigt es doch wie ineffektiv die Schutzmechanismen sind und wie schon zu Anfang gesagt, solange es Spiele gibt, wird es auch illegale Kopien geben. Diesen notorischen Grundsatz an unverbesserlichen Filesharern wird es immer geben, da kann sich die Industrie auf den Kopf stellen, den werden sie nicht wegbekommen. Sie sollten sich lieber darauf konzentrieren den ehrlichen Käufern endlich ein sorgloses Spielvergnügen zu liefern – fernab von Zwängen, technischen Unzulänglichkeiten und überteuerten Preisen.
Denn auch hier gibt es enormen Nachholbedarf. Wo man vor 10-15 Jahren noch eine VOLLE Spielverpackung mit Goodies, CDs, farblich gedruckten, dicken Handbüchern etc. bekam, gibt es heute eine 0815 DVD Verpackung mit einem DIN-A5 großen Werbeblättchen, einer Epilepsiewarnung und wenn man Glück hat noch einem Blatt wo die Seriennummer draufsteht. Zum gleichen Preis.
Die Inhalte die mal Standard waren und die für Fans und Sammler mindestens genauso wichtig sind wie der Inhalt des Spiels selbst, gibt es heute nur noch in Form von sogenannten „Collectors“-Editions, also Sammlereditionen, zu völlig überzogenen Preisen. Hier werden die wahren Fans einer Marke gleich zweimal über den Tisch gezogen.
Bedingt durch die vielen verschiedenen Distributions- also Vertriebsplattformen der Publisher sind die Spieler auch an einmal gekaufte Spiele gebunden. In Kombination mit fehlenden Demos heißt das im Zweifelsfall, dass die Spieler auf Spielspaßpflaumen und verbuggten Betaversionen sitzenbleiben und sie keinerlei effektive Rechte haben sich zu wehren.
5. Sehen Sie für Spieler einen Vorteil in diesen Distributionsplattformen?
Diese Plattformen haben mit Sicherheit auch ihre Vorteile. Besonders die Steam-Community betont ja immer wieder wie sehr sie den Komfort automatischer Softwareupdates, global verfügbarer Speicherstände und zeitlicher Sonderangebote schätzt. Nur wo andere einen Vorteil sehen, sehe ich Zwang. Warum diese Features nicht optional anbieten und den Kunden entscheiden lassen was er in welchem Umfang nutzen möchte? Nicht jeder braucht eine Communityplattform oder ist mit zahllosen Freunden auf Facebook vernetzt, die jederzeit wissen müssen welchen Level erreicht oder welche Herausforderung man gerade geschafft hat. Auch geht es niemanden etwas an wie lange ich welchen Titel spiele, alles Informationen, die sich aber auf solchen Plattformen nach Belieben abrufen lassen. Hinzu kommt die permanente Gefahr des Datendiebstahls. Man braucht sich nur mal die Liste der gehackten Unternehmen in letzter Zeit anschauen, JEDER große Spielhersteller wurde schon gehackt, Spielerdaten geklaut. Der dadurch entstandene Schaden wird aus Imagegründen weder kommuniziert, noch kann er beziffert werden. Aber ich gehe davon aus, dass heutzutage bereits JEDER Spieler mindestens einmal Opfer eines solchen Hacks war, weil er sich "zwangsregistrieren" musste.
Diesen „Zwang“ sehe ich in erster Linie bei den großen Anbietern am Markt, also Steam (Valve), Origin (EA), UPlay (Ubisoft) und GamesForWindowsLive (Microsoft). Es gibt aber auch andere Plattformen die wirklich Vorteile bieten, wo man neue und ältere, DRM-freie Titel für wenig Geld beziehen kann. Vertriebsplattformen ohne Zwänge, denn die dort gekauften Spiele kann man nach Belieben herunterladen, lokal abspeichern, installieren und jederzeit ohne Internet- oder Accountbindung nutzen. Die Spieler haben die gleichen Freiheiten wie vor 10-15 Jahren und die Angebote werden auch dementsprechend gut genutzt.
Ich möchte Distributionsplattformen nicht schlecht reden, ich möchte es wirklich nicht. Aber die Anbieter lassen mir als vernünftig denkendem Menschen gar keine andere Wahl als so darüber zu urteilen. Wenn ich im freien Handel Produkt XY kaufen möchte, entscheide ich mich im Normalfall bei gleicher Qualität für den günstigsten Anbieter, kaufe das Produkt und nutze es nach Belieben. Bei Spielen sieht es so aus, dass mir der Anbieter den Preis vorgibt. Sollte ich das Spiel in digitaler Form von Drittanbietern beziehen, wird mir der Zugang aufgrund der länderspezifischen Version und IP verwehrt, das Geld ist weg/vernichtet. Ich habe als Spieler also von vorn herein gar keine Chance mich nach einem günstigeren Angebot umzusehen. Ein Umstand der in Europa übrigens ganz klar gegen eine EU Direktive verstößt.
Die Publisher nutzen die Vorteile eines globalen Absatzmarktes, verwehren aber ihren Käufern die Vorteile des selbigen. Noch extremer wird es, wenn man sich den Kauf von physikalischen Titeln anschaut. Man geht in den Laden, sieht ein Spiel seiner Wahl und kauft es beispielsweise für 60€. Das Spiel geht in den eigenen Besitz über, man erwirbt Rechte daran und der Verkäufer/Publisher tritt Rechte ab. Nun fordert er aber als Bedingung (AGB) das Spiel nutzen zu können die Verknüpfung mit einem Benutzerkonto und einer Drittsoftware. Nach 10 Jahren ändert dieser Anbieter seine Bedingungen und man ist nun nicht mehr gewillt diese zu akzeptieren, da sie nicht mehr den eigenen Vorstellungen entsprechen, man vielleicht einfach reifer geworden ist oder sich wirklich mal die 20 Seiten Kleingedrucktes durchgelesen hat. Der Zugang zu dem Spiel wird verwehrt und zu allen anderen die auf dem Account liegen auch. Und dann versucht mir jemand weiszumachen es handele sich nicht um Kundengängelung? Immerhin kann ich mir ja noch die Verpackung im Regal anschauen…
6. Wie schätzen Sie die derzeitige Situation ein, dass Gebrauchtsoftware in vielen Fällen nicht weiter verkauft werden kann?
Ein Beispiel: "Legends of Pegasus", ein Weltraum-Strategie-Spiel das in einem unspielbaren Zustand auf den Markt „geworfen“ wurde. Es war einfach nicht möglich das Spiel „zu Ende“ zu spielen oder diverse Unterfunktionen zu nutzen. Vom Entwickler/Publisher wurde Besserung gelobt und kurze Zeit darauf ging selbiger in die Insolvenz. Die Spieler wurden allein gelassen, hatten für das Spiel bereits gezahlt und können es aber nach wie vor nicht nutzen. Das Spiel wird übrigens heute noch über diverse Kanäle vertrieben – zum Vollpreis versteht sich. Ein gutes Beispiel für das komplette Versagen der vorhandenen Gesetzgebung und die Macht der Publisher wobei die Leidtragenden (einmal mehr) die Spieler sind.
Distributionsplattformen verhindern effektiv den Weiterverkauf solcher Software und derzeit kann sich die Industrie quasi alles erlauben. Zwar ist es laut Gesetz erlaubt das Spiel sowohl digital als auch physikalisch weiterzuverkaufen, allerdings wird dies durch die daran gekoppelten Geschäftsbedingungen verhindert. Denn wurde ein Spiel einmal aktiviert und der Registrierungsschlüssel einem Benutzerkonto zugewiesen, ist er verbraucht und somit wertlos. Da der Verkauf oder die Weitergabe eines Accounts sowohl rechtlich als auch faktisch ausgeschlossen ist, würde ein Gebrauchtkäufer quasi nur eine CD mit Daten kaufen, die er nicht benutzen kann.
Die Spieler haben keine derzeit keine Chance sich zu wehren, es sei denn sie verzichten von vorn herein auf den Kauf. Das ist die berühmte „Friss oder Stirb“ Mentalität. Die Publisher haben sich in über die Jahre in einem schleichenden Prozess einen Luxusabsatzmarkt etabliert, indem sie Schritt für Schritt die Grenzen der Spielerschaft ausgelotet und immer wieder ein Stück in deren Richtung verschoben haben. Heute haben wir einen Zustand den man eigentlich nur als „totale Kontrolle“ bezeichnen kann.
Der Gebrauchtspielemarkt ist quasi ausgetrocknet. Dies ist ein Erfolg der Distributions- und Accountpolitik der Publisher und wenn mit der nächsten Konsolengeneration die Accountbindung auch auf Konsolen Einzug hält (davon bin ich überzeugt), wird sich auch dieser Gebrauchtmarkt vollends in Luft auflösen. Die News rund um professionelle Gebrauchtspielehändler wie GameStop bestätigen dies.
Dies ist mit Sicherheit auch ein Stück weit die Schuld der Spieler selbst, die durch ihre Unwissenheit oder Naivität diese Entwicklung unterstützt oder zumindest gefördert haben. Hauptgrund ist in meinen Augen aber die Industrie, die einfach nur das vorhandene, finanzielle Potential abschöpfen will und nicht merkt wie sie eigentlich am eigenen Ast sägt und sich die eigene Geschäftsgrundlage kaputt macht.
7. Was wünschen Sie sich von den Spieleherstellern?
Auf die Einsicht der großen Hersteller hoffe ich schon eine ganze Weile nicht mehr, auch wenn das sehr pessimistisch klingt. Aber ich bin Optimist und meine Hoffnung liegt ganz klar im derzeit boomenden Indybereich, also kleinen, unbekannten Studios die auch in letzter Zeit mit frischen Ideen und unverbrauchten Konzepten überzeugen konnten. Mit Hilfe des relativ jungen Crowdfunding, also der Vorfinanzierung eines Titels durch Fans, haben sie auch die Möglichkeit ohne den Druck und die Auflagen der Publisher ihre Ziele zu erreichen, sehr zum Vorteil der Spieler, denn das bedeutet in den meisten Fällen genügend Zeit für Entwicklung, Testphase und Etablierung einer Fangemeinde, die einen solchen Titel nach der Veröffentlichung mit selbsterstellten und kostenlosen Inhalten am Leben hält. Im Idealfall also eine Win-Win Situation für Spieler und Entwickler, die auch wieder an die Anfänge der Branche erinnert, als Spiele der Spiele wegen gemacht wurden und nicht um Aktionäre zufriedenzustellen.
Ich wünsche mir den Mut der traditionellen Publisher zu mehr Experimenten, beispielsweise den Verkauf eines Blockbuster-Titels zum Preis von 20-30€, nur um zu sehen ob sich die Verkaufszahlen entsprechend ändern. Denn normalerweise müsste Qualität gepaart mit niedrigem Preis zu neuen Verkaufsrekorden führen und der Anteil der Filesharer – nun der dürfte bis zu einem gewissen Grad sinken, den Bodensatz bekommt man sowieso nicht weg. Sollten die Publisher ihre Strukturen und Bedingungen nicht ändern, prophezeie ich ihnen in den nächsten Jahren ganz massive unerwünschte Veränderungen. Genauso wie sie mir seit ca. 15 Jahren den Niedergang des PCs prophezeien…
Für mich persönlich hat sich dieses Jahr ein kleiner Traum erfüllt, den ich nicht unerwähnt lassen möchte. Einer der Veteranen der Spielebranche, der bereits vor 10 Jahren wegweisende Spiele designt und entwickelt hat, hat sich dieses Jahr mit einem Paukenschlag zurückgemeldet und aus dem Stand über 7 Millionen Dollar von Fans für sein Projekt sammeln können. Die Rede ist von Chris Roberts mit seinem neuen Spiel Star Citizen, was mit der Wiedergeburt eines vergessenen Genres gleichzusetzen ist. Die überwältigende Resonanz lässt darauf schließen wie viele frustrierte Spieler es da draußen gibt, die nur darauf gewartet haben, dass ihnen jemand zuhört, ihre Wünsche respektiert, sich offiziell zur Plattform PC bekennt und ein Statement hinterlässt. Denn Star Citizen wird PC-exklusiv erscheinen, ich kann mich nicht daran erinnern wann dies (von einigen MMOs und Onlinetiteln abgesehen) das letzte Mal der Fall war.
Meine Hoffnung ist es, dass durch solche Projekte Zeichen gesetzt werden, die traditionellen Publisher endlich aus ihrem verträumten Märchenland aufwachen und aufhören in Spielern nur wandelnde Geldbörsen zu sehen. Ich hoffe endlich wieder als (PC) Spieler für voll genommen zu werden, denn es ist die vergessene 30er Generation die von der Industrie stehen gelassen wurde, die Generation, die das Hobby Computerspiel aber maßgeblich geprägt, geformt und salonfähig gemacht hat.
8. Gibt es sonst noch etwas das Sie loswerden wollen?
Ja! Zu guter Letzt wünsche ich mir von den Spielern sich mehr mit ihrem Hobby auseinanderzusetzen, mit den Hintergründen, der Geschichte und ihrem Einfluss als Käufer auf die verschiedenen Strukturen. Denn nur wenn sich die Spieler dessen bewußt werden, und z.B. auch mal auf einen Spielekauf verzichten, dann können sie ihr Umfeld auch zu ihren Gunsten ändern. Dies ist aber nicht möglich wenn wir immer nur den neuesten Trends hinterher jagen, uns von der Grafik oder gemachten Versprechen blenden lassen, denn wir Spieler haben auch eine Verantwortung. Zuerst uns selbst und den kommenden Generationen von Spielern gegenüber, denn auf den Grundlagen die heute gemacht werden, definieren sich die Zustände in der Spielebranche von morgen. Und manchmal wünschte ich, dass ich mein heutiges Wissen bereits vor 10-15 Jahren gehabt hätte.
Denn eigentlich geht es uns allen nur um eins: mit unserem geliebten Hobby Spaß zu haben und ihm zu frönen, so wie es in vielen anderen Hobbies selbstverständlich ist.