KI - schöne neue Welt?
Kaum ein Thema polarisiert derzeit mehr die Kunstwelt als der neue Trend computergenerierter Bilder. Es fanden auf einschlägigen Bilder- und Künstlerportalen regelrechte Hetzkampagnen gegen KI generierte Inhalte (und deren Ersteller) statt. Auf fast jeder sozialen Plattformen werden Für und Wider diskutiert, doch wissen die Beteiligten eigentlich, wovon sie sprechen oder um was es wirklich geht? Ein Erklärungsversuch.
Definition
Was ist KI überhaupt?
Künstliche Intelligenz ist die Simulation menschlicher Intelligenzprozesse durch Maschinen, insbesondere Computersysteme. Spezifische Anwendungen von KI umfassen Expertensysteme, Verarbeitung natürlicher Sprache, Spracherkennung und maschinelles Sehen.
https://en.wikipedia.org/wiki/Artificial_intelligence
KI ist also maschinell verarbeitete Intelligenz, die menschliche Schaffens- oder Denkprozesse simuliert. Kunst an sich ist definitiv ein Schaffensprozess, daran gibt es keinen Zweifel. Wenn wir uns einen Erstsemester im Bereich Grafikdesign anschauen, nimmt dieser ein Bild, ein Kunstwerk oder Objekt als Vorlage und versucht es visuell umzusetzen. Abhängig von seinen eigenen Fähigkeiten und seinem Talent, mehr oder weniger erfolgreich. Stellen wir uns nun die KI als Erstsemester vor, welche gerade "lernt", wie man ein Kunstwerk erschafft und darin immer besser wird, je mehr Kunst sie erstellt. Dabei geht es hier erstmal auch gar nicht darum "wie" die KI lernt, es geht darum zu verstehen, dass es sich um einen Prozess handelt, den Prozess Kunst zu erschaffen. Nun könnte man argumentieren das nur lebende Wesen mit "Seele" in der Lage seien zu "erschaffen" aber wir wollen an dieser Stelle nicht ins Philosophische abdriften, das wäre Stoff für einen weiteren Artikel. Niemand kann aber verneinen das KI bereits heute allgegenwärtig um uns herum ist. Sie bestimmt bereits unseren Alltag, oft ohne das wir es wahrnehmen oder wissen.
Täglich kommunizieren Millionen von Menschen mit einer Maschine ohne das es Ihnen bewusst ist, sie heißt "Siri", "Alexa" oder "Cortana" und ist nur eine von vielen Smart Assistants. Jedes Mal wenn wir Facebook öffnen oder eine Google Suche starten, läuft eine KI im Hintergrund. KI hat im Gesundheitswesen dafür gesorgt das durch KI Unterstützung und Workflow Assistenten Kosten und Zeit eingespart werden konnten. In der Forschung wird KI eingesetzt um Feldstudien durchzuführen die ansonsten Jahrhunderte dauern würde um z.B. Wirkstoffe zu entdecken und zu analysieren. Es gibt inzwischen selbstfahrende Autos auf unseren Straßen, die ohne KI undenkbar wären und selbst in normalen Fahrzeugen zu Land, Luft und Wasser steckt heutzutage schon soviel Technik das es ohne KI unmöglich wäre diese komplexen Systeme zu steuern. Im Finanzsektor werden Chatbots, adaptive Intelligenz und maschinelles Lernen eingesetzt um Finanzprozesse effizienter und genauer zu machen. Digitale Straßenkarten zeigen uns in Echtzeit den schnellsten Weg nach Hause - gekoppelt mit Echtzeitdaten von anderen Nutzern, die auf der selben Straße unterwegs sind und vielleicht vor uns im Stau stehen und uns so dank KI ermöglichen schneller anzukommen. In sozialen Medien stöbern täglich hundertausende Chatbots und KI Helfer nach gefälschten Nachrichten, Hassreden oder sonstigen Beiträgen die der Pflege bedürfen um die Nutzererfahrung von mehr als 3 Milliarden aktiver Profile zu schützen. Es gibt soviel mehr Beispiel für KI im täglichen Leben, diese sollen erstmal als Einstieg genügen.
Ist das Kunst oder kann das weg?
Kommen wir zurück zur Frage ob KI Kunst generieren kann. Vielleicht sollten wir uns aber erstmal bewusst machen was Kunst eigentlich ist? Kunst muss nicht interpretiert, erklärt oder betrachtet werden, um Kunst zu sein. Auch ist es nicht die Aufgabe der Kunst, zu gefallen oder zum Nachdenken anzuregen. Dies wird nur allzu oft in Kunst reininterpretiert, es ist aber eine geläufige gesellschaftliche Definition, damit irgendjemand eine Rechtfertigung hat, Kunst gut oder schlecht zu finden oder zumindest zu dulden.
Dabei entscheidet niemals der Betrachter über die Kunst-Eigenschaft an sich - dies entscheidet einzig und allein der Künstler.
Somit sollte jeder, der KI generierte Bilder als Kunst infrage stellt, sich selbst fragen, ob er die Definition von Kunst verstanden hat. Denn meist ist diese Ablehnung nur ein Unverständnis oder ein Nichtgefallen selbiger. Hierzu ein Beispiel:
Marcel Duchamps handsigniertes Urinal aus dem Jahre 1917 zählt zu den Schlüsselwerken moderner Kunst. Gefällt es jedem? Nein. Ist es Kunst? Ja! Es ist Kunst und führte bis heute zu einer Reihe skuriler Kunstaustellungen oder gar ganzer Museen die sich nur mit Alltagsgegenständen, Fäkalien oder sonstigen sehr abstrakten künstlerischen Kompositionen beschäftigen.
Das beste Kompliment, das ein Künstler erhalten kann, ist die hitzige Diskussion um sein Werk, ob es sich um Kunst handelt oder nicht. Denn dann hat er sein Ziel vollends erreicht. Projizieren wir nun diese Erkenntnis auf KI, handelt es sich bei dem Schaffensprozess, selbst wenn dieser nicht von einem Mensch ausgeführt wird, auch um Kunst. Ganz so als ob eine Mutter ihrem kleinen Kind einen Wachstift in die Hand drückt und das resultierende Gekritzel voller Stolz an die Wand hängt, nur das hier die Mutter ein Programmierer und das Kind die KI ist.
Tradition vs. Fortschritt
Die Erfolgswelle von KI generierender Software ist bei genauerem Hinsehen aber nur eine logische Konsequenz der immer fortschreitenden technischen Entwicklung. Schauen wir uns mal ein paar Beispiele an und gehen zurück ins 17. Jahrhundert.
Die industrielle Revolution
Gegen 1750 begann die erste industrielle Revolution in Großbritannien. Sie bestand im Großen und Ganzen aus der Mechanisierung von Produktionen, deswegen wurde diese Ära auch als der Beginn der Massenproduktion bezeichnet; überwiegend in den Bereichen Textilien, Bergbau, Stahlindustrie und Maschinenbau. Man setzte bei der Produktion auf Dampfmaschinen statt Wasser, -Wind oder Pferdekraft. Es wurde immer schneller, billiger und in größeren Mengen, mit weniger Personal produziert. Somit ersetzten Dampfmaschinen bald menschliche Arbeitskräfte und die ersten Dampflokomotiven fuhren durchs Land und ersetzten Pferdegespanne.
Nachteil und Schattenseite dieser Entwicklung waren niedrige Löhne, Arbeitszeiten von bis zu 17 Stunden täglich, Kinderarbeit und menschenunwürdige Wohnverhältnisse. Aber dies führte später zur Gründung von Gewerkschaften und verbesserten Arbeits- und Lebensbedingungen.
Die zweite industrielle Revolution nach 1920 wurde durch die Erfindung von Werner von Siemens (dynamoelektrisches Prinzip / Dynamomaschine) eingeleitet, bei der Produktionen halb- oder vollautomatisiert wurden. Mit der dritten industrielle Revolution nach 1970 kam die Einführung und Entwicklung von Mikroelektronik und Computertechnik, die nach und nach computergesteuerte Produktionsweisen ermöglichten, wie z.B. Fertigungsroboter in der Automobilindustrie.
Das Aufkommen digitaler Kunst
Ungefähr zur gleichen Zeit kam das erste digitale Kunstwerk zur Welt, erstellt 1967 von Kenneth Charles Knowlton. Er nahm ein Foto einer nackten Frau, verpixelte es und gab ihm den Titel "Computer Nude". Geforscht wurde an dem Thema Computergrafik aber bereits seit den 1950er Jahren.
https://en.wikipedia.org/wiki/Ken_Knowlton
Der Begriff digitale Kunst wird daher immer im Zusammenhang mit Computern genannt, ohne die er schlicht nicht existieren könnte. Bereits damals sahen traditionelle Künstler diese Technologie als Bedrohung für ihre Werke und auch als Versuch, das traditionell Kunsthandwerk zu ersetzen.
Der Vorteil traditioneller Kunst ist ganz klar das Handwerkliche, wie z.B. der Umgang mit dem Pinsel, Farblehre, aber auch Schnitzwerkzeuge und -techniken. Es ist eine physikalische Arbeit, bei der Erfahrung und das Wissen um Materialien essenziell sind. Es gibt unzählige zeitlose und epochale Kunstwerke, die durch traditionelle Künstler geschaffen wurden und bis heute unerreicht sind. Dasselbe gilt auch für Literatur und Musik. All diese Bereiche bekamen früher oder später durch das Aufkommen des Computers digitale Konkurrenz, sie wurden aber dadurch niemals verdrängt.
Der große Vorteil traditioneller Kunst ist ihre Einzigartigkeit, da sie nicht einfach zu reproduzieren ist, ganz im Gegenteil zu digitaler Kunst, die sich beliebig oft kopieren lässt. Dennoch bedarf es für digitale Kunst anderer Handwerksfähigkeiten, die weit über Pinselführung und Farblehre hinausgehen. Dafür entfallen Materialien und werden z.B. durch ein Zeichentablett ersetzt. Sie bieten dadurch eine höhere Vielseitigkeit und somit auch ganz andere Möglichkeiten seiner Kunst Ausdruck zu verleihen, als es auf herkömmlichen Wege möglich wäre. Die Verbreitung von Computern ermöglichte auch viel mehr Menschen den Zugang zu digitaler Kunst, denn nicht jeder hat eine Staffelei und Acrylfarben zu Hause stehen. Somit wurde digitale Kunst zu einem Massenphänomen, durch das sich traditionelle Künstler bedroht sahen.
Durch diese Vielseitigkeit änderte sich aber auch die digitale Kunst an sich. Man kann hier zwischen verschiedene Kunstformen differenzieren. Computerkunst, Computergrafik, Cyberkunst, Computergenerierte Kunst - je nachdem wer oder was diese generiert. So ist es auch ein riesiger Unterschied, ob jemand mit dem Zeichentablett ein Bild malt, in Blender eine 3D-Animation zum Leben erweckt oder mit Programmiersprache und Algorithmen Bilder erzeugt.
Traditionelle und digitale Kunst haben also eins gemeinsam: den schöpferischen Prozess. In beiden Fällen entsteht aber nur dann ein aussagekräftiges Ergebnis wenn der Künstler sein Handwerk versteht und je nach Kunstform anwenden kann. Ist die Existenz als traditioneller Künstler schwerer geworden durch Digitalisierung? Mit Sicherheit! Hat die digitale Kunst die traditionelle Kunst verdrängt oder gar ausgerottet? Absolut nicht - im Gegenteil - heute gibt es Berufsbilder die von beiden Formen profitieren und früher schlicht und ergreifend nicht existierten. Dazu gehören z.B. Social Media Manager, Mobile Apps Entwickler, virtuelle Assistenten, Podcast-Produzenten, 3D-Drucker-Techniker, Content Maker, Influenzer uvm. Viele dieser Berufe teilen sich das Wissen über traditionelle und digitale Kunst um existenzfähig zu sein.
In den letzten zehn Jahren hat digitale Kunst enorm an Aufmerksamkeit gewonnen und viele Menschen haben beeindruckende Kunstwerke geschaffen. Dazu zählen Illustrationen, Animationen, 2D- und 3D-Kunst und andere digitale Kunstformen. Eine Studie des Institute for the Future(IFTF) kommt zu dem Schluss, dass 85 % der Jobs, die es im Jahr 2030 geben wird, noch gar nicht geschaffen wurden. Alle diese Berufe werden erst durch kommende Technologien entstehen.
https://legacy.iftf.org/realizing2030-futureofwork/
Übersetzung durch KI
Ähnlich wie bei der Kunst durchlief auch die Berufsbranche der Übersetzer mit der Einführung von KI und Technologie einen Wandel. So können Algorithmen und standardisierte Regelwerke in Sekundenschnelle tausende von Worten automatisch übersetzen (wie auch diese Webseite mit einem Klick auf das Flaggensymbol). Im Alltag bedeutet dies für die Nutzer solcher Übersetzungstools eine unglaubliche Erleichterung, überwindet diese Technologie doch Sprachbarrieren wie nie zuvor. Im Unternehmensbereich erlaubt es enorme Kosten- und Zeitersparnisse.
Werden nun alle Berufsübersetzer und Übersetzungsbüros überflüssig und von KI abgelöst? Mit Sicherheit gibt es weniger, aber nicht alle! Denn auch wenn der traditionelle Beruf mit Sicherheit von einer breiten Masse von potenziellen Kunden nicht mehr in Anspruch genommen wird weil sie mit Technologie schnellere oder günstigere Alternativen finden, so bedarf es doch nach wie vor des spezialisierten Fachwissens von professionellen Übersetzern. Denn eine der größten Schwächen von KI ist, dass sie nicht richtig "verlernen" kann, d.h. einmal falsch antrainierte Eigenschaften wird sie nur schwer wieder los. Auch kann eine KI niemals im selben Maße Fachkenntnisse und Expertise in eine Übersetzung einbringen und auf Zusammenhänge eingehen, wie sie z.B. ein Muttersprachler oder ein fachlich ausgebildeter Übersetzer mitbringt. Der Beruf hat sich also gewandelt hin zu einem Spezialisten, der heutzutage nicht selten in Unternehmen wie Google, Bing oder DeepL anzutreffen ist.
Sinn und Unsinn mit 3D Druck
Eine ähnliche Analogie lässt sich beim technologischen Fortschritt von additiver Fertigung beobachten. Wo früher auf Holz, Stahl und Keramik/Ton gesetzt wurde, um z.B. Prototypen zu modellieren, setzt man heute mehr und mehr auf digitalen 3D Druck und Verfahren in diesem Bereich. Viele Unternehmen machen aber den Fehler, diesem Trend übereifrig zu folgen und ersetzen bestehende Bauteile und Verfahren durch 3d gedruckte Teile - nur des 3D Druck willens. So entsteht der Eindruck, dass der 3D-Druck traditionelle Werkstoffe verdrängt oder ablöst, auch wenn diese gar nicht der Fall ist. Es gibt aber auch echte Anwendungsbeispiele, bei denen 3D Druck eine Branche wirklich voranbringt, wie am Beispiel der Zahnprothetik, bei der einfacher, günstiger, ressourcenschonender und vor allem schneller Prothesen und Zahntechnik produziert werden kann. 3D Druck steckt noch in den Kinderschuhen, denn letztlich ist 3D Druck immer noch nichts anderes als 2D Druck x-mal wiederholt. Echten 3D Druck gibt es noch gar nicht, bzw. ist noch in der Entwicklung. Auch hier gab es die Angst das Berufe verdrängt werden würden, aber es wird nach wie vor Schreiner, Schweißer und Töpfer geben, selbst wenn 3D Druck irgendwann mal ausgereift ist, da diese Technologie niemals alle Anwedungsgebiete ersetzen, sondern höchstens unterstützen kann.
Fotografie vs. Smartphone
Ein weiteres prominentes Beispiel ist der Siegeszug der Smartphones, der gleich zwei Lebensbereiche betrifft. Zum einen die Verdrängung klassischer Fotoapparate und Kompaktkameras, also der Technik an sich und zum zweiten die Konkurrenz mit herkömmlichen Fotostudios. Die Technologie bietet heute jedem mit einem Smartphone die Möglichkeit nahezu professionelle Aufnahmen, ohne großen Aufwand zu machen und mit der Welt zu teilen. Wo früher der Camcorder stand, fliegt heute eine Drohne und dennoch sind Fotostudios nicht verschwunden, werden sie doch nach wie vor z.B. für die Erstellung von biometrischen Bildern benötigt. Wie oft habe ich gehört das Hochzeiten von "guten Freunden" mit dem Smartphone fotografiert wurden mit dem Resultat eines geknickten Brautpaares, weil der "Fotograf" zwar den Auslöser drückte, aber kein Auge für Details, Perspektive, Licht oder Hintergrund hatte. So etwas spricht sich rum und für besondere Anlässe nehmen Leute auch heute noch mehr Geld in die hand um professionelle Fotografen zu bezahlen. Fotografen die in diesen Nischen Ihre Daseinsberechtigung gefunden haben. Auch hat sich die Technik nur gewandelt und weitere Berufsbilder geschaffen. Wo früher die Kamera mit klassischem Film zum Einsatz kam, der nach der Aufnahme entwickelt werden musste, gibt es heute fast nur noch hochwertige Digitalkameras nebst Software, Server und Techniker.
Betrachtet man die Umsatzzahlen der letzten Jahre, so haben Digitalkameras deutlich an Boden verloren zugunsten von Smartphones, hochwertige und teure Systemkameras hingegen haben sich aber wider Erwarten erstmalig zum Umsatztreiber gemausert. Denn sie setzen dort, an, wo Smartphones schlicht nicht punkten können, mit Wechselobjektiven und Modularität. Die Branche hat sich gewandelt und erfolgreich auf ihre Stärken besonnen. Aber woher kommt dieser Wandel? Ganz einfach - viele Smartphone-Knipser haben ihre Lust an professioneller Fotografie entdeckt und so ist heute fast jede vierte verkaufte Kamera eine wesentlich teurere Systemkamera.
Tradition vs. Fortschritt Fazit
Es gibt etliche weitere Beispiele, z.B. Schriftsetzer im Printbereich, Record Label gegenüber Livemusik- und Bands, Autonomes Fahren im Gegensatz zu Transportunternehmen usw., ihr versteht worum es geht. Betrachtet man nun all diese Beispiele, lässt sich zusammenfassend sagen, dass alle nach dem gleichen Schema verlaufen sind. Es gibt eine technologische Entwicklung und traditionelle Berufsgruppen oder Absatzmärkte fühlen sich davon bedroht. Am Ende passen sich diese aber an die neuen Technologien an und es entstehen komplett neue Berufe und teils ganz neue Branchen. Natürlich fallen auch Berufszweige weg, tendenziell schafft Fortschritt aber mehr Jobs als er vernichtet. Hierzu gab es erst 2015 eine sehr aussagekräftige Studie vom IZA, dem Institute of Labor Economics mit dem Standpunkt 77 zum Thema "Die Zukunft der Arbeit und der Wandel der Arbeitswelt".
Darin heißt es, Zitat: "Aktuell rückt jedoch mit der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung eine potenziell neue, radikale Veränderung in den Vordergrund. In der Vergangenheit war es eher der Fall, das Jobs mit geringen oder mittleren Qualifikationsanforderungen im Produktionsbereich
durch den technischen Wandel unter Druck geraten waren, nämlich dann, wenn es sich dabei um Stellen mit Routinetätigkeiten handelte." und weiter: "Es ist davon auszugehen, dass sich der in der Vergangenheit begonnene Trend - weg von den Routinetätigkeiten und hin zu Nicht-Routinetätigkeiten – weiter und möglicherweise beschleunigt fortsetzt, ohne dass dies zu Lasten der Erwerbstätigenzahlen gehen muss."
Mit anderen Worten, es wird zukünftig mehr Spezialisten geben, da Routinetätigkeiten und Arbeit unter schweren Bedingungen zunehmend durch Automatisierung, Digitalisierung und den Einsatz von KI ersetzt werden. Letztlich liegt es in der menschlichen Natur vor neuen und unbekannten Dingen Angst zu haben - es liegt daher also in der Pflicht bei den Anbietern dieser neuen Technologien diese Ängste zu nehmen oder aufzuklären und in der Pflicht der Politik die Rahmenbedingungen für solche Technologien zu schaffen. Womit wir wieder bei der KI sind.
Wenn KI ein Gesicht bekommt..
Eine der prominentesten Auftritte hatte KI Kunst mit der Veröffentlichung auf der Titelseite des "The Economist" im July 2022. Genutzt wurde ein durch #Midjourney generiertes Coverbild.
https://www.economist.com/leaders/2022/06/09/artificial-intelligences-new-frontier
Welche KI Generatoren gibt es?
Im folgenden finden sich ein paar namhafte KI-Generatoren, die mit Sicherheit jeder schon einmal gehört hat, der sich mit dem Thema beschäftigt. Neben Spaßprojekten gibt es auch ernsthafte Open-Source-Projekte sowie kommerzielle Projekte. Auch haben Großkonzerne wie Google und Microsoft die KI Sparte für sich entdeckt und werkeln an verschiedensten Lösungen. Wir wollen aber nicht auf die Beweggründe eingehen, warum diese KI Generatoren existieren, sondern darauf wie sie funktionieren.
- Midjourney
- Stable Diffusion
- Dall-E
- Leonardo AI
- uvm ...
Funktionsweise
Wie lernt KI?
Grundsätzlich lernt jede KI auf die gleiche Art und Weise. Es gibt einen Input der meist aus Informationen und/oder Beispielen besteht. Je größer und umfangreicher dieser Input ausfällt umso schneller und besser kann die KI lernen. Das eigentliche Lernen ("machine learning") besteht darin, den erhaltenen Input nach zuvor, durch die Programmierer definierten Algorithmen und Methoden zu filtern, zu analysieren und dabei Zusammenhänge, Muster, Abhängigkeiten und auch verborgene Strukturen zu entdecken. Diese werden danach ausgegeben und bilden ein sogenanntes Modell. Je länger und öfter eine KI lernt umso besser wird dieses Modell, bis es irgendwann sein "Optimum" erreicht.
Am Anfang war nur Rauschen...
Den Begriff "Denoising" werdet ihr mit Sicherheit schon einmal gehört haben und wer regelmäßig fotografiert hat diesen "nervigen" Nebeneffekt auch schon einmal erlebt. Bei KI Generierung stellt es aber einen Startpunkt dar und keinen Nebeneffekt. Die meisten Diffusionsmodelle nutzen ein Rauschen aus dem ein Bild entwickelt wird. So wird Schritt für Schritt ein kleines Stückchen Rauschen durch Inhalt ersetzt und so ein plausibles Bild generiert. Die Qualität des Bildes ist aber immer nur so gut wie das dahinter liegende Modell. Die Berechnung findet "deterministisch" statt, d.h. die einzelnen Schritte sind nicht zufallsgeneriert, sondern generieren bei gleicher Eingabe (Prompt) auch immer das gleiche Ergebnis. Dies ist allerdings von verschiedenen Faktoren abhängig.
Wichtigster Faktor für die Algorithmen ist die sogenannte "Seed". Eine zufällig generierte Zahl, die dazu benutzt wird vergleichbare Ergebnisse zu produzieren, damit Anderungen beim Programmieren, am Code und am Algorithmus auch verglichen werden können. Wenn man also zehn aufeinanderfolgende Bilder generiert, dient die Seed als "Startzahl" und wird inkrementell erhöht. Beginnt man später wieder bei der gleichen Startzahl, erhält man theoretisch exakt gleiche Ergebnisse. Aber die Generierung ist nicht nur von der Seed selbst abhängig, sondern auch von:
- dem benutzten Modell
- den benutzten (positiven & negativen) Prompts
- der Bildauflösung
- den benutzten Lora's
- dem benutzten Scheduler
- und der eingestellten Denoising-Stärke
Man sieht also - um ein exakt gleiches Ergebnis zu erzielen muss man sehr viele Dinge beachten und beherrschen. Nur eine andere Zahl, eine Nachkommastelle oder auch nur ein Leerzeichen im Prompt und das Ergebnis wird ein komplett anderes sein.
Die Kunst der KI Kunst
Nun ist es nicht jedem Menschen vergönnt oder möglich sich mit der komplexen Materie auszukennen und so gibt es verschiedenste Möglichkeiten selbst KI Kunst zu generieren. Die gängigste Möglichkeit ist eine der vielen Onlineplattformen zu nutzen - einige sind kostenlos mit gewissen Einschränkungen, andere sind kostenpflichtig oder limitieren die Anzahl der generierten Inhalte pro Monat. Ich sage absichtlich "Inhalte", denn neben Bildern können inzwischen auch Videos, Text und auch Audioinhalte generiert werden. In jedem Fall greift der Nutzer über ein Onlineportal auf eine im Hintergrund agierende Serverstruktur zurück, welche die Rechenarbeit übernimmt.
Die zweite Möglichkeit ist eine der unzähligen Open Source Projekte auf dem heimischen Rechner zu installieren und die Rechenleistung der eigenen Hardware für die KI Generierung zu nutzen. Je nach Hardwareausstattung kann es hier massive Unterschiede geben was Qualität und Geschwindigkeit angeht. In jedem Fall benötigt man ein Frontend welches mit den genutzten Modellen kompatibel ist. Ich persönlich nutze z.B. Stable Diffusion mit dem Frontend InvokeAI. Darauf wiederum sind zig verschiedene Modelle laufffähig.
Z.B. gibt es allein für Stable Diffusion fünf gängige Frontends:
- Automatic1111
- InvokeAI
- ComfyUI
- EasyDiffusion
- DiffusionBee
Nun ist es mit der Installation (welche teils schon hohes Fachwissen benötigt!) aber nicht getan. Um erfolgreich qualitativ hochwertige Inhalte zu generieren benötigt es VIEL Erfahrung, Ausprobieren, Anpassen der Workflows und vor allem Geduld. Wenn man nun noch bedenkt, dass jedes Update des Frontends oder eines benutzen Modells die Ergebnisse komplett verändern kann, zeigt sich schon das die eigens kreierten Arbeiten ein enormes KnowHow benötigen wenn man sie mit den online verfügbaren Alternativen vergleicht.
Und das ist worauf wie oben zu sprechen kamen - man wird zu einem Experten in diesem Bereich und häuft zwangsläufig KnowHow an um der KI Kunst seinen eigenen Stil zu geben oder sie zu perfektionieren. Und dieses KnowHow führt früher oder später zu neuen Berufsbildern.
Fazit
Ich denke die Frage ob KI Kunst ist oder nicht, haben wir geklärt. KI ist im Baukasten des kreativen Schaffensprozess nur ein weiteres Werkzeug, das aber auch beherrscht und verstanden werden will. Wird KI andere Künstler und Kunstgenre verdrängen? Mit Sicherheit wird es hier Veränderungen geben, da KI Kunst schneller und günstiger verfügbar ist, was vor allem Unternehmen aus Kostengründen interessiert. Aber traditionelle Künstler/Kunst wird sie keineswegs ersetzen können, ebensowenig das KnowHow über Materialien, Ästhetik, Kunststile oder die handwerklichen Fähigkeiten zum Malen/Zeichnen.
KI Kunst ist ein weiterer Meilenstein auf der rasanten Evolutionsleiter der Technologien, die der Mensch sich zu Nutzen macht. Anstatt diese Technologien also zu verteufeln, sollte jeder für sich sehen wie er sie zu seinem Vorteil nutzen kann. Sei es als Quelle der Inspiration, als professioneller Content Ersteller, als Geschäftsgrundlage im Medienbereich oder einfach nur als Hobby um Spaß zu haben.
AI Art by TheOrigin
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